Beten konkret

Wenn wir Klarheit für unser Leben brauchen, suchen wir oft instinktiv Zeiten und Orte der Stille. Hier können sich innere Dinge sortieren und klären.

Fragen zum Kontemplativen Beten


  • Wo kann ich meditieren?

    Wählen Sie einen Ort, an dem Sie möglichst ungestört sind. Das kann eine Ecke in einem Zimmer sein oder ein freier Raum in Ihrer Wohnung. Gestalten Sie sich diesen Ort vielleicht mit einem Bild, einer Kerze, einer Blume, so dass Sie diesen Ort gern aufsuchen. Auch wenn Sie unterwegs sind, können Sie meditieren, z.B. auf dem Weg zur Arbeit in einer Kirche, in einem Hotelzimmer, einem Ruheraum am Arbeitsplatz usw.


  • Wann ist eine gute Zeit zum Meditieren und wie viel Zeit brauche ich dazu?

    Suchen Sie in Ihrem Tagesablauf eine feste und geschützte Zeit zur Meditation. Am frühen Morgen ist eine empfehlenswerte Zeit. Je nach Lebensumständen oder eigenem Rhythmus können aber andere feste Zeiten notwendig sein (z.B. für unterschiedliche Schichten, für Wochentage und -enden, für Tage zu Hause oder unterwegs). Manchmal hilft es, sich die Meditationszeiten für die kommende Woche im Kalender einzutragen. Regelmäßigkeit hilft die Meditation zu einer guten Gewohnheit werden zu lassen, die unser Leben nach und nach durchformen kann.

    Meditieren Sie täglich mindestens 30 Minuten in einer zusammenhängenden Zeit. Zum Beenden der Zeit können Sie einen Wecker stellen. So müssen Sie sich während der Meditation nicht um die Zeit sorgen.


  • Wie kann ich ungestört meditieren?

    Sprechen Sie sich mit Ihren Mitbewohner:innen ab, dass dies eine Zeit ist, in der Sie nicht gestört werden möchten. Andere mögen sich in dieser Zeit um das Telefon und die Türklingel kümmern.

    Wenn keine anderen Mitbewohner:innen da sind, die sich um Telefon etc. kümmern, versuchen Sie Störungen auszuschalten, indem Sie zum Beispiel den Anrufbeantworter einschalten, die Klingel abstellen etc.. Geräusche oder andere Störungen von außen können Sie wahrnehmen, kümmern Sie sich nicht weiter darum.


  • Wie sitze ich während der Meditation?

    Für das kontemplative Beten braucht es keine besondere Sitzhaltung wie den Lotussitz oder ähnliches. Wichtig ist, dass Sie eine halbe Stunde aufrecht und entspannt sitzen können. Dies kann auf einem Meditationskissen, einem Meditationsbänkchen oder einem Stuhl sein. Achten Sie auf guten Kontakt zum Boden und zur Sitzfläche. Die Wirbelsäule sollte sich frei aufrichten können. Entspannen Sie Schultern und Gesicht und schließen Sie die Augen.


  • Wie kann ich mich im Alltagstrubel auf das Gebet einstellen?

    Wenn Sie aus dem Alltagstrubel heraus in Ihre Gebetszeit gehen, kann es sein, dass es zum Übergang eine Unterstützung braucht. Sie können einen kleinen Spaziergang machen, einige Körperübungen oder einfach etwas ausruhen, bevor Sie sich zum Gebet hinsetzen.



  • Wie gestalte ich die Gebetszeit?

    Machen Sie sich vor allem bewusst, dass Sie die Zeit ganz für Gott und für sich haben. Sie müssen nichts erreichen und nichts leisten. Es ist eine zweckfreie geschenkte Zeit.

    Sie können am Beginn einen Text aus der Bibel lesen. Das Tagesevangelium finden Sie zum Beispiel im Internet unter https://www.evangeliumtagfuertag.org. Über die Bibelstelle denken Sie nicht nach, sondern Sie fühlen sich darin ein und nehmen wahr, was der Text in Ihnen auslöst.

    Meditieren Sie dann, indem Sie zunächst Ihren Atem wahrnehmen, die Aufmerksamkeit in den Raum zwischen Ihren Händen lenken und mit jedem Ausatmen „Jesus“ und mit jedem Einatmen „Christus“ innerlich sprechen. Lauschen Sie auf den Klang des Namens.

    Meditieren Sie in den Grundhaltungen der Kontemplation:

    • Hellwach dabei sein.
    • Mit lebendigem Interesse dabei sein.
    • Dabei bleiben (wenn Sie sich zerstreut haben, kommen Sie klar und entschieden wieder neu zur Wahrnehmung zurück, indem Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Spüren der Hände und den Klang des Namens richten).

    Beenden Sie die Gebetszeit mit einem kurzen mündlichen Gebet.

    Am Ende der Gebetszeit können Sie einen kurzen Moment verweilen und die Meditation nachwirken lassen. Sie können sich ein paar Stichworte von dem, was sich Ihnen in dieser Zeit innerlich gezeigt hat, in ein Geistliches Tagebuch notieren.


  • Worauf muss ich beim kontemplativen Gebet besonders achten?

    Für das kontemplative Beten gibt es einige grundsätzliche Haltungen, die Sie sich immer wieder vergegenwärtigen können:

    Kontemplatives Gebet ist Wahrnehmen. Im Vertrauen darauf, dass Gott wirkt, nehmen Sie einfach wahr, was sich in der Stille zeigt und bleiben Sie aufmerksam dabei. Alles, was im Gebet geschieht, darf da sein. Wahrnehmen und Vertrauen sind die beiden wesentlichen Grundhaltungen für das kontemplative Gebet. Setzen Sie sich nicht unter Druck, bleiben Sie jedoch in Treue und Entschlossenheit in der Atmosphäre des kontemplativen Betens. Nachdenken, Analysieren, Planen, Bewerten gehören nicht in diese Zeit.

    Gebet ist Beziehung. Wenden Sie sich der Beziehung zu Jesus Christus zu. Lernen Sie in dieser Beziehung mit allem, was jetzt in Ihnen ist, zu verweilen. Aus Zerstreuungen kehren Sie immer wieder neu mit Ihrer Aufmerksamkeit zu den Händen und zum Jesusnamen zurück.

    Nachfolgende Grundsätze können Sie sich am Beginn der Gebetszeit in Erinnerung rufen:

    • Ich muss nichts erreichen.
    • Ich muss keine Ruhe finden.
    • Es muss jetzt nichts Besonderes passieren.
    • Ich lasse jetzt geschehen.
    • Ich nehme jetzt wahr und vertraue.
    • „Es ist, was es ist, sagt die Liebe"

  • Kann ich den Weg auch in Gemeinschaft mit anderen gehen?

    Das Beten in einer Meditationsgruppe kann den individuellen Weg stärken, gibt Orientierung und eröffnet einen Raum zu gegenseitigem Austausch in Gemeinschaft. Meditationsgruppen, die den hier beschriebenen Gebetsweg praktizieren, finden Sie hier. Es handelt sich um offene Gruppen, denen man sich einfach anschließen kann (manchmal ist zum Einstieg ein Vorgespräch mit der Kontaktperson der Gruppe nötig). Auch kann man andere einfach zum gemeinsamen Meditieren einladen.


  • Wie kann ich das kontemplative Gebet kennenlernen?

    An vielen Orten werden Hinführungskurse zum kontemplativen Gebet angeboten. Diese finden in der Form von eintägigen Hinführungstagen oder einem Wochenende oder von mehrwöchigen „Exerzitien im Alltag" (bei denen man sich einmal pro Woche trifft) statt. Solche Angebote finden sich hier. Weitere Möglichkeiten sind Exerzitien oder unser Onlinekurs.

    Eine Einführung gibt auch das Buch „Kontemplative Exerzitien“ von Franz Jalics.

    Die „Gespräche“ aus dem Buch können auch Wegbegleiter für den Alltag sein. Beispiele für solche Gespräche finden Sie weiter unten.


Gestaltung einer Gebetszeit

Einstimmung: Ich begebe mich zu dem Gebetsplatz, den ich mir hergerichtet habe. Nach einer Verneigung oder einem Kreuzzeichen nehme ich meine Sitzhaltung ein. Ich erneuere meine Bereitschaft, die Zeit ganz Gott zu schenken und in Beziehung zum Namen zu treten. Bringe ich Interesse für diese Beziehung mit, ein Sehnen nach Vertiefung? Ich muss nichts erreichen, ich darf einfach da sein. Ich kann ein kurzes Gebet oder ein Vaterunser sprechen.

A) Wort aus der Hl. Schrift

(ca. 5 Minuten, nachfolgender Text oder Tagesevangelium: evangeliumtagfuertag.org)

Hinweis: Wir nähern uns an die Schrifttexte dieses Kurses über die Wahrnehmung, nicht über das Denken, an. Ich lasse den Text und seine Atmosphäre auf mich wirken wie ein Kunstwerk, das ich betrachte, eine Skulptur, die ich ertaste, eine Begegnung oder ein Gedicht, die etwas in mir auslösen. Ich achte auf die Resonanz oder Resonanzlosigkeit in mir: Was berührt mich? (ein Wort, ein Bild, eine Geste oder Person der Bibelstelle) Was empfinde ich dabei? (Freude, Traurigkeit, Ärger, Unbehagen, Staunen) Ich nehme es wahr, brauche nicht zu bewerten oder zu verändern.

„Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte, denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.“ (Joh 15,11-16)

B) Jesus-Gebet (ca. 25 Minuten)

Ich achte auf meinen Atem, lege die Handflächen zusammen und verweile bei der aufmerksamen Wahrnehmung des Raumes oder der Berührung zwischen meinen Handflächen. Bei jedem Ausatmen spreche ich ein inneres „Jesus“. Bei jedem Einatmen spreche ich innerlich „Christus“. Ich nehme wahr, ob bzw. wie der Name „Jesus“ mit dem Ausatmen in meinen Handflächen ankommt. Ich achte darauf, ob mit dem Namen „Jesus Christus“ ein innerer Klang verbunden ist, eine Atmosphäre, in die ich eintauchen darf. Wie erlebe ich die Beziehung zu Jesus Christus? Ich bleibe beim Aus- und Einatmen bei „Jesus - Christus“. Der Name darf im natürlichen Rhythmus mit dem Atem kommen und gehen. Ich bin hellwach dabei, bin mit ganzem Interesse da und bleibe dabei. Ich kehre mit der Aufmerksamkeit zurück, wann immer ich mich zerstreut habe.

C) Abschließendes Gebet

Ich spreche mich in einem kurzen Gebet aus, teile mich Jesus mit. Wie habe ich mich in Beziehung zu ihm erlebt? Was möchte ich ihm mitteilen, von ihm hören? Ich kann die Zeit auch einfach mit einem Vaterunser abschließen.

Kontemplativ leben im Alltag

„Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch. Und das Leben des Menschen ist die Schau Gottes“, sagt Irenäus von Lyon. Gottes Gegenwart mehr wahrzunehmen, bewirkt Lebendigkeit und neuen Kontakt zu unseren Lebensquellen. Der geistliche Weg, den wir in unseren Angeboten vermitteln, wurzelt besonders in der biblischen Tradition der Verehrung des Gottesnamens „Ich bin, der ich bin“, „Ich bin da“ (Ex 3,14) und des Namens Jesu Christi. Jesus selbst ist der lebendige Mensch, der in der Gottesgegenwart lebt. Er will der Schlussstein sein, von dem die Strebungen unserer Lebensarchitektur gehalten werden und in den sie münden (Eph 2,20-22). Es gibt innerhalb der christlichen Tradition verschiedene Gebetsweisen. Die beste ist die, die Ihnen am meisten entspricht und in eine lebendige Beziehung zu Jesus führt. Die Gebetsweise, auf die wir mit dieser Homepage hinweisen, ist geformt vom Jesusgebet in der Weise, wie sie von P. Franz Jalics SJ vermittelt wird. Dieser Weg ermutigt zu jährlichen Exerzitien und zu treuer Gebetspraxis im Alltag.

Hier finden Sie einige Hinweise für den Weg im Alltag:


  • Ruhe und Aktivität

    Ruhe und Aktivität sollen in einem gesunden Verhältnis zueinander stehen. Bei der Gestaltung des Alltags können folgende Prioritäten helfen:

    1. Der Schlaf
    Nur ein ausgeschlafener Mensch kann in der Meditation hellwach sein und seine Aufgaben im Alltag erfüllen. Wenn Sie also schauen, wie die Meditation in Ihren Tagesablauf passt, streichen Sie nicht den nötigen Schlaf dafür, sondern überlegen Sie, welche unnützen Tätigkeiten oder unguten Gewohnheiten wegfallen können. Pflegen Sie eine gute Abendkultur.

    2. Der Körper
    Geben Sie Ihrem Körper Bewegung und achten Sie auf eine gesunde Ernährung. Teresa von Avila sagt: „Sei gut zu Deinem Leib, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen“.

    3. Das Gebet
    Ein ausgeschlafener und gesunder Körper kann besser beten. Deshalb steht das Gebet erst an dritter Stelle. Morgens ist für viele die beste Zeit für das Gebet. Die Pflichten nehmen einen noch nicht in Beschlag und der Tag bekommt gleich eine geistliche Ausrichtung.

    4. Die Mitmenschen
    Die Zeiten für Familie, Freunde etc. müssen nicht lang sein. Schenken Sie den Mitmenschen jedoch dabei Ihre volle Aufmerksamkeit. Schenken Sie zweckfreie Zeit. Seien Sie absichtslos da und präsent.

    5. Die Arbeit
    Auf Grund der Arbeit sollten die anderen Prioritäten nicht vernachlässigt werden. Das heißt zum Beispiel, dass Sie nicht Ihre Gebetszeit kürzen wegen der Arbeit. Seien Sie bei der Arbeit immer ganz bei der Sache.


  • Hinweise zum Gebet
    • Die wöchentliche Teilnahme an einem Gottesdienst, einer Eucharistie- oder Abendmahlsfeier kann das persönliche Beten vertiefen - und umgekehrt.
    • Es kann sein, dass es Ihnen manchmal schwerfällt zur Ruhe zu kommen, weil Sie in einem besonders hektischen Zustand sind. Dann kann es hilfreich sein, vor der Meditation etwas spazieren zu gehen, einige Körperübungen oder die Atemübung zu machen oder sich etwas Ruhe zu gönnen.
    • Suchen Sie in Ihrem Tagesablauf eine feste und geschützte Zeit zur Meditation. Meditieren Sie wenigstens 30 Minuten am Tag. Das ist eine gute zeitliche Basis. Wenn Sie eine Stunde am Tag meditieren wollen, können Sie diese auch auf zwei Meditationszeiten über den Tag verteilt aufteilen.
    • Ein Modell für die Gebetszeit im Alltag finden Sie weiter oben. Sie können den biblischen Text dabei auch variieren und jeweils das Tagesevangelium nehmen. Dieses finden Sie zum Beispiel im Internet unter evangeliumtagfuertag.org. Sie können auch die ganze Meditationszeit über nur beim Jesusgebet bleiben.

  • Hilfen zum Dranbleiben

    Meditationsgruppen
    Es kann hilfreich sein, regelmäßig in einer Gruppe zu meditieren. Gruppen finden Sie hier. Sie können zu Gleichgesinnten Kontakt halten und sich austauschen.

    Geistliche Begleitung
    Sie können sich eine vertrauenswürdige und im Gebet erfahrene Person wählen, mit der Sie sich im Abstand von ca. 4 Wochen für ein Gespräch über Ihren Gebetsweg und Ihre Gebetserfahrungen treffen. Wenn Sie ein geistliches Tagebuch führen, können die Einträge dort eine gute Basis für die Reflexion Ihres Gebetsweges und für das monatliche Begleitgespräch sein.

    Hauskreis Kontemplation
    Vielleicht finden sich 2-3 Personen aus Ihrem Bekanntenkreis, die Sie zu einem geistlichen Treffen zu sich nach Hause einladen möchten: zu gemeinsamer Meditation, schlichtem Essen, zum geistlichen Austausch.

    Persönliche geistliche Regel
    Es kann hilfreich sein, dass Sie für sich einige wichtige Eckpunkte Ihres geistlichen Lebens notieren. Das schafft Verbindlichkeit. Ihre Praxis kann sich immer wieder an dieser „Regel“ ausrichten. Die Regel muss realistisch umsetzbar und konkret sein. Wichtige Punkte mit Blick auf Ihren Lebensstil, Ihr geistliches Leben, Ihre Beziehungsgestaltung, Ihre Tagesstruktur, Ihre Arbeit können darin genauer formuliert werden. Die Regel kann mit sich ändernden Lebensumständen und Lebensentwicklungen immer wieder modifiziert und neu formuliert werden.

    Wenn die Meditation länger ausgefallen ist
    Durch Urlaub, Krankheit oder andere Umstände kann es sein, dass die regelmäßige Meditation länger ausgefallen ist. Um wieder besser Anschluss zu finden, nutzen Sie vielleicht einen freien Nachmittag am Wochenende oder an einem anderen Tag, um 3, 4 oder 5 halbe Stunden hintereinander zu meditieren. Dazwischen machen Sie jeweils eine kleine Pause, in der Sie etwas umhergehen.

    Intensive Zeiten
    Um das Kontemplative Gebet zu vertiefen, können jährliche Exerzitien hilfreich sein. Hier werden mehrere Tage im Schweigen intensiv dem Gebet gewidmet. Sie sind eine besondere Schule der Wahrnehmung und intensive Zeiten der Ausrichtung ungestört vom Alltag. Exerzitienkurse finden Sie hier.


  • Kontemplation und Alltag

    Das Gebet und der Alltag sind keine voneinander getrennten Welten. Was Sie im Gebet üben, wird Ihren Alltag verändern und im Alltag können Sie einüben, was auch im Gebet wichtig ist.

    • Sie können auch im Alltag das Jesusgebet praktizieren: in Wartezeiten, im Zug, in der Natur, der Arbeit.
    • Seien Sie in der Gegenwart präsent. Leben Sie im Hier und Jetzt. Wenn Sie etwas tun, dann beschäftigen Sie sich nicht gleichzeitig mit dem Vergangenen oder dem, was noch kommt. Bleiben Sie mit Ihrer ganzen Aufmerksamkeit bei dem, was Sie gerade tun, bei der Person, die Ihnen gerade begegnet.
    • Nehmen Sie wahr, was aus dem Leben auf Sie zukommt. Lassen Sie das ganze Leben, auch unangenehme Situationen, an sich heran. Das heißt nicht, dass Sie nicht Schwierigkeiten ausräumen, wo dies möglich ist. Wo Sie jedoch keine Handlungsmöglichkeit mehr haben, üben Sie sich im Annehmen. Machen Sie sich in Ihrem Tun frei von Ergebnissen. Stehen Sie zu sich und seien Sie immer wieder bereit zu verzeihen.
    • Ignatius von Loyola spricht vom „Gott suchen und finden in allen Dingen“ und: „Wenige Menschen ahnen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich seiner Führung ganz überließen“.

Gespräche zur Praxis des Jesusgebets

Im Folgenden nun einige Beispiele aus der konkreten Übungspraxis mit dem Jesusgebet.

Wir wenden uns in der Gebetszeit ganz einfach dem Namen „Jesus Christus“ zu. Wir sprechen „Jesus“ mit jedem Ausatmen und „Christus“ mit jedem Einatmen. Wir schmücken den Namen nicht mit Vorstellungen, Bildern oder Erinnerungen aus. Wir verbinden ihn auch nicht mit Bitten oder weiteren Worten und Gebeten, sondern bleiben bei der schlichten Wiederholung des einfachen Namens. Mit dem Namen wenden wir uns an Jesus Christus selbst, an seine Person, in Form eines liebevollen, unmittelbaren, einfachen, bildlosen Aufmerkens und Kontaktnehmens zu ihm hin. Der Name „Jesus Christus“ kann eine gewisse Andacht schenken, er muss aber auch durch trockene Phasen hindurch geläutert werden oder vielmehr: uns selber läutern. Wenn Ihnen der Name „Christus“ mit dem Einatmen noch zu viel ist, können Sie nach wie vor einfach bei „Jesus“ mit jedem Ausatmen bleiben. Wenn sie darin mehr Praxis und Übung haben, kann dann mit der Zeit „Christus“ noch beim Einatmen dazukommen.


  • Nelli

    Nelli: Wir sind am Ende der Exerzitien angelangt. Mir hat sich eine neue Welt aufgetan. Bis jetzt habe ich Orientierung gesucht, und jetzt habe ich sie gefunden. Ich habe meinen Weg gefunden. Deswegen bin ich sehr zufrieden. Ich fühle mich aber ganz am Anfang des Weges. Das trübt meine Zufriedenheit, und ich spüre eine gewisse Entmutigung. Eine unabsehbar lange Wegstrecke liegt vor mir, die sich ins Endlose verliert und mich bedrückt. Wann werde ich diesen Weg hinter mir haben?

    Exerzitienmeister (EM): Du möchtest schon am Ende des Weges sein.

    Nelli: Ich fühle mich ganz am Anfang. Ich bin noch nirgends.

    EM: Das macht dir Angst.

    Nelli: Ja, es macht Angst, nicht Schritt halten zu können.

    EM: Oder sogar Minderwertigkeitsgefühle.

    Nelli: Vielleicht.

    EM: Oder willst du sagen, dass du auf Hilfe angewiesen bist?

    Nelli: Ja, das unbedingt.

    EM: Die Hilfe ist immer da. Vertraue, dass Gott dich führt. Er war bis jetzt auch an deiner Seite und hat mit Liebe dein ganzes Leben gesteuert. Warum traust du Ihm nicht zu, dass er weiter für dich sorgt?

    Nelli: Ja, ich muss lernen, auf Gott zu vertrauen. Es gelingt mir auch immer wieder. Trotzdem habe ich jetzt das Gefühl, dass ich ganz am Anfang stehe.

    EM: Das kann ein recht gutes Gefühl sein.

    Nelli: Wieso?

    EM: Schau mal, Nelli, diese Exerzitien haben dir, wie du sagtest, einen Lebensweg gezeigt. Das bedeutet, unterwegs zu sein, solange man lebt. Man kann in die Liebe Gottes nicht in zehn Tagen hineinwachsen. Es ist keine Aufgabe, die man erledigt und abhakt. Je mehr man auf diesem Weg voranschreitet, umso mehr fühlt man sich am Anfang. Wir wissen das von den Heiligen. Je mehr sie in die Nähe Gottes geführt wurden, umso mehr sahen sie sich arm, ohnmächtig und ganz am Ausgangspunkt.

    Nelli: Und woher kommt dann diese Hilfsbedürftigkeit?

    EM: Die Bedürftigkeit nach Hilfe ist in Ordnung. Sie ist sogar sehr gesund. Der Fehler ist, dass du diese Hilfe von außen erwartest. Du vergleichst dich mit anderen, von denen du glaubst, dass sie schon weiter sind als du. Erwarte diese Hilfe von innen, vom Geist Jesu Christi, der im Grund deiner Seele auf dich wartet. Es genügt, auf dem Weg zu sein. Ob man am Anfang oder am Ende des Weges steht, ist ohne Bedeutung. Wer auf den richtigen Pfad geführt wurde und den Weg auch geht, der wird weitergeführt. Er muss nur vertrauen und die Zügel seines Lebens in die Hände Gottes legen.

    Nelli: Ich habe das Gefühl, keinen Fortschritt zu machen.

    EM: Legt man die Hand auf den Kopf eines Kindes, spürt man nicht, dass es wächst. Und es wächst doch.

    Nelli: Danke. Darf ich mich mit einem alten christlichen Gruß verabschieden?

    EM: Natürlich.

    Nelli: Gelobt sei Jesus Christus.

    EM: In Ewigkeit. Amen.


  • Lorenz

    Lorenz: Ich habe den Eindruck, dass ich an der Oberfläche bleibe. Es treten viele Zerstreuungen aus dem Alltag auf. Einmal kommt mir ein Streitgespräch, das ich vor zwei Wochen gehabt habe, dann erinnere ich mich an unerledigte Aufgaben. Plötzlich steht mir ein Bild meiner Arbeit vor Augen, eine Szene von einem Verkehrsstau oder einem Vorhaben, das ich nie ausführen konnte, dann das Bild eines Freundes, den ich gerne sehen würde, oder das eines Nachbarn, der mich nervt.

    Exerzitienmeister (EM): Du fühlst dich von alltäglichen Sorgen belästigt.

    Lorenz: Ja, das ist richtig. Es sind keine übergroßen Sorgen. Sie hören aber nicht auf. Ich würde sie gar nicht Sorgen nennen, sondern vielmehr den alltäglichen und routinemäßigen Betrieb, der mir im Kopf herumgeistert.

    EM: Wenn deine Gedanken dorthin tendieren, heißt das, dass dein Interesse beim Alltag hängengeblieben ist.

    Lorenz: Ich verstehe noch nicht ganz.

    EM: Schau mal, Lorenz, das kontemplative Gebet verlangt einen vollständigen Einsatz und eine intensive Hingabe. Es verlangt nicht nur, dass du unmittelbar deine Aufmerksamkeit auf die Hände richtest, sondern dass du dein ganzes Interesse von der Außenwelt nach innen verlagerst. Das Reich Gottes ist in euch, sagt das Evangelium. Es ist notwendig, den Alltag, seine Sorgen und die Welt selbst loszulassen, um unser Interesse ganz nach innen wenden zu können.

    Man muss für die Dauer der Meditation vollständig auf die Welt verzichten und sich mit ganzem Herzen, ganzem Interesse und ganzer Absicht nach innen wenden. Wo dein Herz ist, dort ist deine Aufmerksamkeit. Vollziehst du diese Wende nicht, wirst du merken, dass deine Aufmerksamkeit dir davonläuft. Du kannst deine Aufmerksamkeit tausendmal zurückbringen. Solange du aber auf die Welt nicht verzichtet hast und dein Herz noch an irgend etwas hängt, wird es dir nicht gelingen, bei der Meditation zu bleiben. Für das Reich Gottes muss man alles loslassen, wenn auch nur für eine halbe Stunde. Selbst für eine halbe Stunde ist eine radikale Wende von der Welt zu Gott notwendig. Dann wirst du in der Gegenwart bleiben können.


  • Fritz

    Fritz: Ich beschäftige mich in der Meditation viel mit meiner Arbeit und meiner Zukunft. Ich komme zwar gleich zurück, aber kurz darauf bin ich wieder in Gedanken bei meinen Tätigkeiten.

    Exerzitienmeister (EM): Du hängst sehr an deiner Arbeit.

    Fritz: Es ist mir sehr wichtig, wie es mit meiner Arbeit weitergeht.

    EM: Wichtiger als Gott.

    Fritz: Ich empfinde es nicht so. Gott ist mir wichtiger. Ich bin seinetwegen in Exerzitien gekommen.

    EM: Ja, in deiner Absicht steht Er an erster Stelle, aber du hast deine Arbeit noch nicht losgelassen und haftest noch innerlich daran.

    Fritz: (überlegend) Vielleicht ...

    EM: Es geht dir so wie vielen Ehemännern mit ihrer Familie. Sie lieben ihre Familie und opfern sich für sie auf. Sie arbeiten Tag und Nacht, damit sie alles haben. Dabei würden sich die Frau und auch die Kinder mit weniger begnügen, wenn der Mann mehr Zeit für sie hätte. Für den Mann ist die Familie an erster Stelle. Und aus lauter Sorge für die Familie hat er keine Zeit, bei seiner Frau und seinen Kindern zu sein.

    Passiert dir nicht dasselbe mit Gott? Du arbeitest und bemühst dich für Gott. In der Meditation aber sind deine Gedanken bei deiner Arbeit, die du letztlich für Gott tust. Gott will aber nicht deine Gedanken, sondern sehnt sich ganz einfach, mit dir zu sein. Er wünscht, dass du ihm deine Aufmerksamkeit schenkst. Deine Arbeit und deine Zukunft hat Er in der Hand. Versuche, Gott auch auf diese Weise an die erste Stelle zu setzen.


  • Benedikt

    Benedikt: Mir ist etwas aufgegangen. Ich war wie üblich in der Meditation, und auf einmal spürte ich mehr die Gegenwart und dass ich da bin. Ich spürte es auf eine sehr intensive Weise, wie ich es vorher noch nicht empfunden hatte. Ich kann es nicht beschreiben. Ich bemerkte, dass ich ganz da bin. Ich erfuhr das Jetzt, diesen einzigen Augenblick, in dem ich bin.

    Ich kann es nicht erklären. Es ist mir bewusster geworden, was Realität ist. Ich wurde lange in diesem Zustand gehalten. Ja, ich sage, dass ich in diesem Zustand gehalten wurde, weil ich ihn wirklich nicht hervorrufen oder auch nur hätte halten können.

    Vorher ist es mir häufig passiert, dass ich einen intensiven Zustand halten wollte und er war im selben Augenblick verflogen. Jetzt wurde mir geschenkt, dass ich nicht einmal daran dachte, ihn zu halten. Ich war im Staunen versunken. Ich war nur da. Ich erfuhr auf eine ganz seltsame Weise, dass ich nichts machen musste. Alles war geschenkt. Ich spürte eine sehr ruhige und innige Liebe. Ich weiß auch nicht, wieso das gekommen ist, aber sie war einfach da. Es war alles so einfach und klar, so problemlos und so real. Es war gut, so dazusein.


  • Alois

    Alois: Ich habe versucht, „Jesus“ mit dem Ausatmen und „Christus“ mit dem Einatmen zu sagen. Ich komme damit nicht zurecht und fühle mich überfordert, mit jedem Atemzug den Namen zu sprechen. Ich komme mit dem Atem ganz durcheinander. Manchmal wird er schneller, und dann spreche ich wieder, da ich ihn lenken möchte. Auch der Name ist mir zu lang, weil mein Atmen eher kurz ist. Ich komme innerlich in Hektik. Also bei mir geht das nicht. Ich habe dann damit aufgehört.

    Exerzitienmeister (EM): Du hast damit aufgehört.

    Alois: Ja, ich habe aufgehört, weil es mich unruhig werden lässt.

    EM: Muss das gleich am Anfang gehen? Kann da nicht ein Lernprozess notwendig sein?

    Alois: Ich habe es schon wiederholt probiert, aber bei mir löst es Unruhe aus.

    EM: Wir lernen jetzt etwas Neues, das du noch nicht kennst und womit du noch keine Erfahrung hast. Man muss mit Geduld dranbleiben.

    Alois: Kann ich nicht einen anderen Namen sagen?

    EM: ... (schweigt) ...

    Alois: Gut, ich probiere es weiter.

    EM: Beginne nochmals. Sage mit dem Ausatmen nur „Jesus“. Sag es mit einem inneren Klang und in die Hände hinein. Sag es immer leiser, bis du den Namen eher hörst als sagst. Du brauchst die Lippen nicht zu bewegen, es ist ein mentales Sprechen. Während du den Namen wiederholst, lausche sehr wach in die Mitte deiner Handflächen und spüre, ob der Name mit dem Hauch des Ausatmens ankommt. Versuche nicht, den Atemrhythmus zu ändern, sondern den Rhythmus des Namens an deinen Atem anzupassen.

    Das braucht Zeit, bis es sich einspielt. Später wird es natürlich und harmonisch werden. Erst wenn du damit schon mehr vertraut geworden bist, sprich mit dem Einatmen „Christus“. Wiederhole den Namen bei jedem Aus- und Einatmen. Nur wenn du ganz zerstreut bist, komm zuerst in die Wahrnehmung der Hände zurück.

    Alois: Ist dieser Schritt notwendig für den Weg?

    EM: Für diesen Weg schon.


(aus: Franz Jalics SJ, Kontemplative Exerzitien, echter)